Um die volle Kapazität der Gotthard-Basislinie (GBL) nutzen zu können, galt es, Auflagen des Bundesamtes für Verkehr (BAV) zu erfüllen. Ein Teil dieser Auflagen betraf die Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit im Hinblick auf das Zusammenspiel von Leit- und Sicherungssystemen. Die entsprechenden Verbesserungen waren Gegenstand des nach SN EN 50126 durchgeführten Projekts «Entwicklung RTI», bei welchem Mitarbeitende der AFRY Schweiz AG die Schweizerischen Bundesbahnen SBB unterstützen durften.
Autoren: Dr. Axel Bomhauer-Beins und Dr. David Grabowski. Beide sind bei der SSI-Mitgliedfirma AFRY Schweiz AG tätig.
Am 1. Juni 2016 wurde der Öffentlichkeit mit der Eröffnung des ca. 57 km langen Gotthard-Basistunnels (GBT) nach einer Bauzeit von rund 17 Jahren der längste Eisenbahntunnel der Welt übergeben: Das Jahrhundertbauwerk ist Kernstück der «Flachbahn durch die Alpen», deren Scheitelpunkt nun auf nur rund 550 (statt zuvor auf ca. 1’150) m ü. M. – und damit nur etwa 300 m höher als Basel bzw. Chiasso – liegt. Mit der Eröffnung des etwa 15 km langen Ceneri-Basistunnels (CBT) im September 2020, wodurch nochmals rund 130 Höhenmeter weniger zu überwinden sind, wurde die GBL komplettiert. In beiden Tunneln kommt das Zugsicherungssystem ETCS Level 2 (L2) mit Führerstandssignalisierung zur Anwendung, es sind Geschwindigkeiten von bis zu 230 km/h zulässig.
Insbesondere zwei Eigenschaften der GBL – die hohe Geschwindigkeit und die aussergewöhnliche Länge der Tunnel – bergen Risiken, die andernorts kaum relevant sind. Deshalb ist in beiden Tunnels ein zusätzliches System im Einsatz, welches diesen besonderen Umständen Rechnung trägt: Die Tunnelautomatik (TA). Gemeinsam mit den netzweit im Einsatz befindlichen Systemen «Integrales Leit- und Informationssystem» (Leitsystem Iltis) und «Rail Control System» (Dispositionssystem RCS) sowie weiteren spezifischen Umsystemen wie Tunnelleittechnik TLT und Einsatzleitsystem ELS unterstützt die TA die Betriebsmitarbeiter:innen der SBB dabei, einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten sowie Störungs- und Ereignisfälle effizient und zielgerichtet zu bewältigen.
Einige Mängel im Gesamtsystem, die bereits bei der Übergabe des GBT an die SBB bekannt waren, führten in der Betriebsbewilligung zu Einschränkungen und Auflagen. Einige der Mängel waren auf Unzulänglichkeiten im komplexen Zusammenspiel der Leit- und Sicherungssysteme zurückzuführen. Dieses zu verbessern und damit die Gebrauchstauglichkeit des Systemverbunds RTI – bestehend aus RCS, TA und Iltis – zu steigern, war Gegenstand des Teilprojekts «Entwicklung RTI», welches im Rahmen der «Abschlussarbeiten SA GBT» durchgeführt wurde.